KLEINE ABHANDLUNGEN ÜBER STREIKS UND GEWERKSCHAFTEN ZUR DEBATTE

 

Aus der Gewerkschaftsbewegung

bis zur Eroberung der Macht in Russland

 

ALEXANDER G. SCHLIAPNIKOV

(ALEXANDER G. SHLIAPNIKOV)

 

Konzeption und Organisation,

Sammlung und neue Veröffentlichung

Lo Scaltro von Genua

emilvonmuenchen@web.de

Übersetzung in eine

neolateinische Sprache

 

 

Den revolutionären Arbeitern und Arbeiterinnen

und dem Sieg der internationalistischen proletarischen Revolution in Brasilien

und in allen Kontinenten Amerikas   

 

 

GESCHICHTLICHES

 

In den entlegenen dunkeln Zeiten der Zarenherrschaft gab es bei uns keine Gewerkschaftsvereine, die mit den europäischen verglichen werden konnte[1].

 

Die zaristische Gewalt stand der Vereinigung der Arbeiter feindlich gegenüber.

Allein das Fehlen der Gewerkschaftsvereine bedeutete nicht, dass es keinen Kampf in unseren Fabriken, Werkstätten und auf sonstigen Arbeitsplätzen gegeben hätte, oder dass dort etwa Ruhe und Friede geherrscht hätten.

Der ökonomische Kampf, Streiks, Aufstände der Arbeiter gegen Leibeigenschaft und Unterdrückung, Aussperrungen und Anwendung bewaffneter Gewalt gegen die Arbeiter usw. gehören in unserem Lande zur früheren Geschichte.

Dergleichen geschah bei uns in den früheren Zeiten der Leibeigenschaft der Bauern.

Und erst seit der ersten russischen Revolution im Jahre 1905 gewährte die Regierung den Vereinen eine schwache Möglichkeit zu existieren.

Allein je mehr die revolutionäre Bewegung sich vertiefte und verbreitete und die Gewerkschaftsbewegung wuchs und stark wurde, griff die Regierung zu grausamen Maßnahmen, um die ersteren zu unterdrücken und löste alle Vereine auf.

Die Leitung des ökonomischen Kampfes lag unter solchen Umständen den ungesetzlichen Parteiorganisationen ob.

Die ökonomischen und die politischen Streiks hörten in unserem Lande sogar während des Krieges nicht auf.

Ein Streik – der ökonomische Streik in den Putilower Werken vom 18. Februar (3. März) 1917 – war das Vorspiel der Februarrevolution.

 

GEGENWÄRTIGE LAGE

 

Die Februarevolution bahnte den Weg zur selbständigen Organisation der proletarischen Massen.

Gleichzeitig neben den politischen Organisationen der Massen – den Arbeiterräten, später auch den Soldatenräten, legal gewordenen Parteiorganisationen – wurden die Gewerkschaftsvereine der Arbeiter ins Leben gerufen.

Und hier muss die interessante Tatsache erwähnt werden, dass die Arbeiter einer so mächtigen Industrie wie die Metallindustrie einige der letzten waren, welche sich in Gewerkschaftsvereinen organisierten.

Der Grund dieser Verhältnisse liegt darin, dass die fortgeschrittensten Arbeiter der Großindustrie (allererst organisierten sich die Arbeiter der Kleinindustrie und die Handwerkarbeiter) die tätigsten Revolutionäre waren.

Sie widmeten all ihre Energie und alle ihre Kräfte vor allem der Lösung der allgemeinen Aufgaben.

Sie kämpften auf den Strassen mit Waffen in der Hand oder bildeten Räte und Parteiorganisationen.

Der achtstündige Arbeitstag wurde auf revolutionärem Wege eingeführt.

In den Fabriken, Werkstätten und anderen Unternehmungen wurden vom ersten Tagen an Betriebskomitees, Arbeiterausschüsse gebildet.

Beide Neuerungen wurden später von den Unternehmern und der damaligen Regierung anerkannt.

 

AUFBAU DER ORGANISATION

 

Die Gewerbevereine mussten in einer stürmischen Zeit politischer und ökonomischer Kämpfe gebildet werden.

Die Frage, wie wir die Vereine im Interesse eines erfolgreichen Klassenkampfes organisieren sollten, lösten wir, indem wir unsere Erfahrung benutzten, sowohl wie auch die ganze Erfahrung der internationalen Gewerkschaftsbewegung.

Und wir nehmen aus dieser Erfahrung ihr letztes Wort – Vereinigung der Arbeiter nach Arbeitsplätzen ohne Hinsicht auf Gewerbe und Beruf (Industrieverbände).

Selbstverständlich gab es ökonomische Bestrebungen einzelner Gruppen von Arbeitern zum Organisieren ihrer „professionellen“ Fachvereine.

Es wurden sogar Versuche gemacht solche zu bilden, aber der Klasseninstinkt und die Klassendisziplin siegten.

Der Grundsatz der Industrieorganisation triumphierte.

Die Kampftage, die wir damals durchlebten, forderten von uns die alleräußerste Anstrengung, Ausdauer und Kraft.

Alles dies konnte nur auf dem Wege der Zentralisation aller organisierten Kräfte des Proletariats erfolgen.

Wir mussten deshalb das föderative Prinzip bei gegenseitigen Beziehungen verwerfen, und akzeptierten das Prinzip eines in all-russischem Maßstabe zentralisierten einheitlichen Verbandes für jeden Industriezweig.

Dank diesem Organisationsprinzip konnten wir im Laufe einiger Monate die breiten Massen der Arbeiter in die Organisation hineinziehen.

  

TÄTIGKEIT

 

Gerade in den ersten Wochen ihrer Existenz wurden die Gewerkschaftsorganisationen vor die verwickelte und schwierige Frage der Regulierung der Arbeitslöhne gestellt.

Es handelte sich hier nicht nur um die allgemeine Erhöhung des Lohnes selbst, sondern auch um das Zustandebringen irgendeiner Ordnung zur Bestimmung des Arbeitsverdienstes und der Abschaffung der willkürlichen Einteilung der Arbeiter seitens der Unternehmer nach verschiedenen Lohnklassen.

Aus diesen Gründen entstand bei uns in Russland eine ganze Bewegung, reich an Literatur und allerlei Statistik über die Arbeitslöhne.

Diese Bewegung in den Gewerkschaften nahm mehr als die Hälfte der Zeit von der Februarrevolution bis zur Oktoberrevolution in Anspruch.

   

TARIFE

 

In den ersten Wochen ihrer Existenz waren alle Gewerkschaftsvereine mit allen möglichen Forderungen seitens der allgemeinen Betriebsversammlungen überlaufen.

Die Grundforderung der Arbeiter jener Zeit war die Abschaffung des ungerechten Systems der willkürlichen Lohnbestimmung durch den Arbeitgeber und die Erhöhung des Lohnes infolge der Teuerung während des Krieges.

Die Organisationen der Großindustrie, wie die der Metall-, Textil-, und chemischen Industrie, der Druckereien usw. waren so überlastet mit Forderungen, dass es physisch unmöglich war, alle einzelnen Fälle zu behandeln.

So hatte z.B. allein die Organisation der Petersburger Metallarbeiter über 200 Forderungen zu behandeln, andere Organisationen zählten sie auch zu Dutzenden.

Dieses Verhältnis nötigte die Führer, allgemeine Maßregeln zu suchen, welche die Arbeitslöhne und die allgemeinen Arbeitsbedingungen ordneten und regulierten.

Die beginnende Streikbewegung wurde innerhalb des Rahmens der Organisationen geführt und geordnet.

Alle wilden Streikbewegungen wurden von der Organisation in strengster Weise unterdrückt.

Ein gemeinsamer Maßstab wurde von allen Arbeiterorganisationen in Hinsicht auf die Tarifabrede innerhalb der einzelnen Industrien eines bestimmten Ortes, welcher als Muster für die Arbeitslöhne aller Lohnarbeiter, vom Straßenkehrer und dem Wächter bis zum höchstqualifizierten Facharbeiter Geltung hatten, angenommen.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Gewerkschaftsbewegung der ganzen Welt fiel uns die Aufgabe im Sommer 1917 zu, für die Annahme eines Tarifes zu kämpfen, der nicht nach den einzelnen Betrieben, nicht nach den einzelnen Berufen zusammengestellt war, sondern für die Annahme eines allgemeinen Tarifes, nach dem die Löhne der Arbeiter aller Industrien geregelt werden sollte.

Dank dieser Taktik wurde die Frage des Arbeitslohnes, dieser Lebensnerv der proletarischen Existenz von den Arbeiterorganisationen in die Hände genommen.

Das Resultat war eine bis dahin ungesehene Erscheinung, - die Arbeiter ganzer Fabriken traten in die Organisationen ein und fassten Beschlüsse, die jeden Arbeiter verpflichteten, in die gewerkschaftlichen Organisationen einzutreten.

Der Verband der Petersburger Metallarbeiter zählte am Anfang des Kampfes um den Tarif 70 000 Mitglieder und am Schlusse desselben 220 000, d.h. die gesamte Zahl der Arbeiter dieser Industrie.

Denselben Erfolg hatten auch die anderen Organisationen.

Besonders streng überwachten die Arbeiter die Pflicht, Mitglied der Organisation zu sein.

Sie brachten es so weit, dass ein Unorganisierter keine Arbeit bekommen konnte, und erreichten damit, dass sich dadurch jeder Arbeiter gewerkschaftlich organisieren musste.

   

ARBEITERKONTROLLE 

 

Im Zusammenhang mit der entstehenden ökonomischen Krise und auch mit den vorkommenden Verschlechterungen der Kriegsvorräte und der Spekulation mit Rohstoffen und Waren hatte die Idee der Kontrolle über die Unternehmungen in den Kreisen der Fabrikkomitees (Arbeiterausschüsse) großen Erfolg, sowohl für die Industrie als für den Handel.

Für die „Arbeiterkontrolle“ traten auch die breiten Arbeitermassen ein und bald entstand auf dieser Grundlage eine geistige Bewegung.

Die Regierung war natürlich gegen die Arbeiterkontrolle feindlich gestimmt, aber sie wurde genötigt, den Vertretern der Gewerkschaftsvereine und anderer „sozialen“ Organisationen die Türen ihrer Einrichtungen zu öffnen, ihnen die Kontrolle über die militarisierte Industrie zu überlassen.

Dies konnte die Arbeiterklasse wenig befriedigen, und die Forderung erhöhter Arbeiterkontrolle setzte sich bis zu der Oktoberrevolution fort.

   

DIE DAMALIGE PROVISORISCHE REGIERUNG

UND DIE GEWERKSCHAFTSORGANISATIONEN

 

Die damalige provisorische Regierung, die aus einer Koalition von opportunistischen Sozialisten und Liberal-Monarchisten bestand, erließ eine Verordnung über das Registrieren der Gewerkschaftsorganisationen.

Da aber alle Arbeiterorganisationen der Regierung feindlich gegenüberstanden, ignorierten sie deren Verordnungen und errichteten ihre Organisationen, ohne die Erlaubnis der Behörden abzuwarten.

In Fragen des Kampfes zwischen Kapital und Arbeit hatte die damalige provisorische Regierung mit ihren „sozialistischen“ Ministern die Vermittlerrolle übernommen, aber sie war dabei unentschlossen, wankelmütig.

Da sie nirgends eine Stützte hatte, fürchtete sie sich auf das Wesentliche einzugehen und bemühte sich, durch einen „Vergleich“ die Versöhnung der Streitenden herbeizuführen.

Das Resultat war, dass die Arbeiter ihre minimalen Forderungen nicht durchsetzen konnten, zu einer Zeit, wo alles Recht auf ihrer Seite war.

Die Streikbewegung verbreitete sich über das ganze Land.  

 

 

DIE GEWERKSCHAFTSORGANISATIONEN
UND POLITISCHE PARTEIEN

 

In der Frage des Verhältnisses zur allgemeinen Politik und besonders zum Sozialismus lehnten unsere Organisationen die so genannte Neutralität der Gewerkschaften ab.

Sie betrachteten sich und die Gewerkschaftsbewegung nur als einen Teil der ganzen russischen und internationalen proletarischen Bewegung.

Alle Fragen, welche die politische Partei des Proletariats berührten, fanden lebhaften Widerhall und die Unterstützung aller Gewerkschaftsorganisationen.

Die politische Physiognomie unserer Organisationen änderte sich in der ersten Periode der russischen Revolution gleichzeitig mit der Änderung der Stimmung, der Gesinnung, und der Aktion der arbeitenden Massen.

Zu der Zeit, als die Organisationen in Petersburg durch und durch „bolschewistisch“ waren, das heißt, sie teilten das Programm der russischen sozialdemokratischen Partei (Bolschewiki), teilte sich der auf der Junikonferenz 1917 gewählte Zentralrat der all-russischen Gewerkschaften gleichmäßig in zwei Hälften zwischen der opportunistischen-menschewistischen und der bolschewistischen Partei.

Der erste Kongress, der nach der Oktoberrevolution stattfand, ergab schon acht Zehntel der Stimmen für die Bolschewiki.

Die Befreiung des Proletariats von der Ausbeutung betrachteten unsere Organisationen als ihre Aufgabe und die bürgerliche Presse jener Zeit nannte uns daher „die zweite Linie der bolschewistischen Schützengräben“.

Zur Zeit der elementaren Julibewegung wurden einige der Petersburger gewerkschaftlichen Organisationen durch die Offiziere der damaligen Regierung geplündert und verwüstet.

 

DIE POLITIK DER DAMALIGEN PROVISORISCHEN

REGIERUNG UND DIE ARBEITERORGANISATIONEN

 

Die Koalitionsregierung war wegen ihrer Natur nicht geeignet, auch nur eine einzige revolutionäre Maßnahme ins Leben zu rufen.

Grund und Boden blieben im Besitz der Gutbesitzer, die damit zu spekulieren anfingen.

Die Bauerngesellschaften nahmen den Boden eigenmächtig in Besitz, nachdem sie die Gutsbesitzer niedergeworfen und weggejagt hatten.

Fabrikanten, Unternehmer, Bankiers und Kaufleute trieben gewissenlose Spekulationen mit den militärischen Aufträgen und mit den Bedarfsartikeln der breiten Massen.

Die Regierung traf keine Maßnahmen gegen diese kapitalistischen Banditen.

Konterrevolutionäre Kapitalisten und Bürokraten fingen schon ganz offen an, von der Unterdrückung der Arbeiter- und Bauernrevolution zu träumen.

Die Moskauer Fabrikanten und Industriellen drohten auf ihrem Kongress den Arbeitern mit der „knöchernen Hand des Hungers“.

Sie gingen schnell vom Wort zur Handlung über und fingen an, ihre Fabriken und Werkstätten zu schließen.    

Die Kriegsfrage entschied die Regierung, trotz des klar ausgesprochenen Wunsches der Soldaten auf schnellsten Friedensschluss, ganz gegen den Willen des Volkes.

Die Losung der Februarrevolution: „Frieden, Brot, Land und Freiheit“ ersetzte die Koalitionsregierung mit der Losung des imperialistischen Sieges, der Losung der Offensive, deren Hoffnungslosigkeit und Schädlichkeit jedem vernünftigen Mitbürger offenbar war.

Die Regierung entfernte sich mit jedem Tag immer mehr von den revolutionären Arbeitern, Bauern und Soldaten.

Sie bemühte sich, in den anderen Bevölkerungsstreifen, bei der Bourgeoisie und dem Bürgertum eine Stütze zu finden.

Sie begnügte sich aber nicht damit: sie begann auch entschiedene gegenrevolutionäre Verordnungen und Maßnahmen zu treffen.

Der „sozialistische“ Minister Skobelev führte den Kampf gegen die Fabrikkomitees (Arbeiterausschüsse) und versuchte sie auf alle Weise zu schwächen, und ihnen die eroberten Rechte zu nehmen.

Ein  anderer Minister, Avksentiev, auch ein „Sozialist“ führte eine Strafexpedition gegen die eigenmächtigen Bauern, welche die Verordnungen der „gesetzgebenden Versammlung“ betreffs Zuerteilung von Grundstücken nicht abwarten wollten.

Der menchewistische Minister Tseretelli rühme sich dessen, dass er der erste war, der den Krieg gegen die Arbeiterquartiere eröffnete, Haussuchungen bei den Arbeitern veranstaltete, und die bei der Februarrevolution eroberten Waffen beschlagnahmte.

Die tätige Reaktion war zu jener Zeit nicht faul, sie organisierte sich, bereitete sich zu aktiven Angriffen gegen die Revolution, gegen die Arbeiter, Bauern und Soldaten vor.

Die Gegenrevolution nistete sich in dem Heere zwischen den Offizieren und bei der Jugend der Kriegshochschule ein.

Die Arbeiterorganisationen sahen und verstanden, wohin die reaktionäre Politik der Koalitionsregierung das Land führte.

Allen führenden Mitgliedern der Gewerkschaftsbewegung, die nicht geblendet waren durch politischen Fanatismus und das politische Spiel ihrer Fraktion, war es klar, dass nur die revolutionäre Macht der Arbeiter selbst, der Soldaten und der Bauern in der Form ihrer politischen Schwerpunkte – die Räte – die revolutionären Eroberungen retten, und die russische Revolution weiter führen kann.

Und so kam es, dass bereits lange vor dem Oktoberumsturz die Situation die Arbeiterklasse vor die Alternative – die Ergreifung der Macht – stellte.

In dieser Frage waren die Gewerkschaftsvereine nicht neutral.

Als Kinder der Revolution betrachteten sie alle Ziele und Aufgaben der proletarischen Revolution als ihre eigenen.

Auch konnten alle Schwierigkeiten, welche am Tage nach der proletarischen Machtergreifung entstehen mussten, das Proletariat von der durch die Geschichte gestellten Aufgabe nicht abhalten, den dornenvollen Weg der sozialen Revolution, der zur vollständiger Befreiung der Arbeiter führen musste, zu gehen. 

DIE GEGENREVOLUTION

 

Es ist schon seit alters her bekannt, dass die Vertreter der Gegenrevolution keine Schönredner sind, sondern Männer der Tat.

Und als die Koalitionsregierung durch ihre sozialistischen Minister Tseretelli, Skobelev, Mikitin, Avksentiev, Kerensky und andere genug Unordnung und Zerrüttung in die Reihen der so genannten „revolutionären Demokratie“ gebracht hatte, erschien daher der General auf seinem „Weißen Ross“, um der Revolution den Gnadenstoß zu versetzen.

Nach dem revolutionären Petersburg marschierten eigens dazu aufgebotene Truppen, die aus Teilen der kaukasischen „wilden“ Division und Kosaken bestanden.

Die Regierung stand ohne Zweifel in Verbindung mit diesem Manöver.

Allein die Gefahr der herannahenden Reaktion rief einen solchen Ausbruch revolutionären Enthusiasmus und revolutionärer Kampfeslust hervor, dass die Regierung, oder richtiger ihr sozialistischer Teil genötigt wurde, den Schein zu erwecken, als ob sie gegen diesen konterrevolutionären General vorgehen wollte.        

Aber niemand glaubt an die Aufrichtigkeit dieser Maßnahmen.

Die Arbeiter bereiteten sich energisch und selbstständig auf die Abwehr der herannahenden Reaktion vor, und mit ihnen auch die besseren Elemente der Nation und der Petersburger Garnison.

Den heranmarschierenden Truppen wurden Agitatorendelegierte des Petersburgers Sowjets entgegen gesandt und es gelang ihnen, in unmittelbare Verbindung mit den Soldaten zu treten und ihnen zu erklären, wohin und zu was man sie führte, zu welchem Zweck sie herbeigeholt wurden.

Viele Truppenteile sandten, sobald sie die Wahrheit erfahren hatten, ihre Vertreter nach dem Petersburger Sowjet mit der Versicherung ihrer Anhänglichkeit.

Dank der von der Arbeiterschaft, den Organisationen und den Sowjets getroffenen Maßnahmen scheiterte die gegenrevolutionäre Offensive.

Allein ihre Organisationen und Urheber blieben unberührt, sie bestanden sich in der Regierung und in deren Nähe.

Schon in September und Anfang Oktober des Jahres 1917 war es allen Arbeiterorganisationen klar und deutlich, dass die Rettung der Revolution von den ständigen Versuchen der Gegenrevolutionäre und Reaktionäre nur durch die Machtübernahme seitens der Arbeiterklasse im Verein mit den revolutionären Bauern und dem Heere möglich war.

Die Idee des Sowjets (Räte) fand in diesen Monaten in den Arbeiterorganisationen nicht nur platonische Sympathien, sondern die ungeheure Mehrheit der Vertreter der Gewerkschaftsbewegung, die Mehrheit der Verbandsvorstände und der Fabrikkomitees zeigte sich als tätiger Anhänger der Rätemacht.

Am Anfang des Monats Oktober (nach dem alten Stile) vor dem zweiten Kongress der Sowjets ging das revolutionäre Petersburger Proletariat mit Unterstützung der Garnison und der Marine von der Verteidigung zum Angriff gegen die Konterrevolution über.

Im Laufe einiger Stunden wurde die Macht der damaligen Regierung, die die Bourgeoisie und die Opportunisten aus der Hand des ersten Petersburger Sowjets empfangen hatten, von demselben Sowjet vernichtet.

Nach Petersburg folgte auch das ganze übrige Russland.

Die Fahne des Kampfes für die Macht der Räte wurde überall im Lande entfaltet und rief einen verzweifelten Widerstand seitens der Ausbeuter ihrer Lakaien aus allen Richtungen hervor.

 

DER KAMPF FÜR DIE SOWJETMACHT

 

Der am 25. Oktober 1917 versammelte zweite Kongress sämtlicher Sowjets Russlands akzeptierte mit überwiegender Majorität die Politik des Petersburgers Sowjets.

Die bisherige Koalitionsregierung wurde abgesetzt.

Russland erklärte sich als eine Räterepublik.

Die provisorische bürgerlich-sozialistische Regierung, die im Taurischen Palast entstand unter dem Schutz des Petersburger Arbeiter- und Soldantenrates beschloss jetzt, die Macht und Herrschaft der Bourgeoisie mit Hilfe der wilden Division und Soldaten Krasnows zu verteidigen.

Kerensky organisierte einen Vormarsch gegen Petersburg, wurde aber geschlagen und entkam nur dank der Barmherzigkeit der roten Befehlshaber aus der Arbeiterklasse.

Während dieser Kämpfe gingen die Fabrikkomitees und Gewerkschaftsorganisationen unter den Fahnen der Rätegewalt.

Die Fabriken lieferten Kriegsvorräte und führten Reparaturen aus und die organisierten Arbeiter nahmen auf sich die Sorge für die ununterbrochene Funktion der allgemeinen gesellschaftlichen und staatlichen Einrichtungen.

 

DIE GEWERKSCHAFTSBEWEGUNG

NACH DER OKTOBERREVOLUTION

 

Die Oktoberrevolution brachte einen gänzlichen Umschwung in die Politik und die Taktik der gewerkschaftlichen Bewegung.

Wenn früher, zur Zeit des kapitalistischen Regimes, die ganze Aufgabe der Gewerkschaftsorganisationen  darin lag, die Arbeiter für den Kampf um die Verbesserung der materiellen Lage, der Abkürzung des Arbeitertages, die Erhöhung der Arbeitslöhne, der Sozialversicherung gegen Unglückfälle, Krankheit, Invalidität und Alter, die Verbesserung der sanitären Verhältnisse der Arbeiterplätze und der Wohnstätten (Arbeiterschutz) zu einigen, so konnten diese Aufgaben nach der Revolution, die den Sowjets die ganze Macht gegeben hatte (d.h. die Arbeiter und die armen Bauern waren die Herrscher der staatlichen Gewalt geworden), nicht mehr in den engen Rahmen des „Schutzes der gewerkschaftlichen und ökonomischen Interessen“ der Arbeiterklasse eingesetzt werden.

In dem Augenblick, wo die politische Macht in den Händen der Arbeiterklasse lag, musste sie auf das Schicksal der ökonomischen Organisationen des Proletariats gegründet oder richtiger von diesen übernommen werden, und nun war die Verteilung bei der Ausübung der Macht eine mehr aktive Aufgabe.

Und diese wurde zuerst erfüllt, ehe die allgemeine Richtlinie und Aufgabe der gewerkschaftlichen Organisationen der neuen Zeit entschieden wurde.

Von der Oktoberrevolution bis zum ersten Kongress der gewerkschaftlichen Organisationen – annähernd zwei Monate – wurde eine kolossale Arbeit von den gewerkschaftlichen Organisationen und den Fabrikkomitees geleistet.

Die Tätigkeit der Gewerkschaftsorganisationen während dieser zwei Monate des Kampfes um den Sozialismus wurde bestimmt in bedeutendem Grade durch die Kampfesart des organisierten Kapitals.

Bekanntlich antworteten die Kapitalisten und ihre Anhänger auf die Revolution der Arbeiter und Bauern mit Streik und Sabotage.

Sie schlossen ihre Fabriken und Werkstätten.

Sie weigerten sich, die Arbeiter für die Zeit zu bezahlen, die sie bei ihnen gearbeitet hatten, sie versteckten ihr Geld und ihre Rohstoffe usw.

Mit einem Worte: Sie erklärten den Krieg gegen die Sowjets und die Gewerkschaftsorganisationen.

Auf dem politischen Gebiet besiegt, übertrugen die Kapitalisten den Kampf vom militärischen Kriegsschauplatz auf das wirtschaftliche Gebiet, in der Annahme, der Arbeiterklasse in dieser Weise einen entscheidenden Schlag zu versetzen.

Auf dieses Schließen der Fabriken und Werkstätten antwortete die Regierung mit der Beschlagnahme des Eigentums und ließ in den Fabriken die Arbeit wieder aufnehmen.

Auf die Sabotage der Beamten antworteten die Gewerkschaftsorganisationen mit der Einstellung neuer Kräfte, aus der Arbeiterklasse.

Den gewerkschaftlichen Organisationen und den Fabrikkomitees lag infolge der Umstände die verantwortliche Aufgabe der Organisation der Fabrikleitung ob.

In dieser Tätigkeit konnten wir uns nicht auf die Erfahrung des internationalen Proletariats stützen, wie dies bei der Organisation der Verwaltung der Fall war.

In keinem Lehrbuch der Geschichte, in keinem sozialistischen Katechismus würden wir irgendeinen Leitfaden gefunden haben.

Die Notwendigkeit zwang uns, die ersten zu sein, den Weg der sozialen Revolution zu beschreiten.

Wir mussten handeln und lernen aus unserer eigenen Erfahrung.

Dies taten wir und tun es noch.

 

 

DER KONGRESS

 

Der erste all-russische Kongress der gewerkschaftlichen Organisationen fand vom 7. bis 14. Januar 1918 statt, genau zwei Monate nach der Oktoberevolution.

Auf diesem Kongress waren 716 stimmberechtigte Delegierte und 75 mit beratenden Stimmen anwesend.

Die größten Verbände, die auf dem Kongress vertreten waren, hatten die folgenden Mitgliederzahlen:

 

Der all-russische Arbeiterverband der

·        Metallarbeiter …………………………………………….  600 000

·        Textilarbeiter  …………………………………………….  500 000

·        Lederarbeiter …………………………………………….  200 000

·        jungen Angestellten der staatlichen

·        und allgemeinen Einrichtung ………………………….  180 000

·        chemischen Arbeiter ……………………………………  150 000

·        Seeleute, Matrosen der Handelsflotte ………………..  150 000 usw. usw.

 

Im Ganzen 2 638 812 Mitglieder.

Auf der dritten Konferenz, die im Juli 1917 stattfand, d.h. sechs Monate vor diesem Kongress, waren im Ganzen 1 475 429 Arbeiter vertreten.

Im Laufe von sechs Monaten zeigte sich der Fortschritt der gewerkschaftlichen Bewegung in der Erhöhung der Mitgliederzahl um 1 200 000 Arbeiter.

Dies alles zeugte von dem mächtigen Zuwuchs der Arbeiterorganisationen.

Dem ersten Kongress der gewerkschaftlichen Organisationen musste eine neue Richtlinie der Tätigkeit vorgelegt werden.

Die Aufgaben der gewerkschaftlichen Bewegung unter der Diktatur eines politisch in den Sowjets organisierten Proletariats mussten festgelegt werden.

Auf dem Kongress kamen zwei Richtungen zum Ausbruch:

A)    eine politisch neutrale, die im Wesentlichen der Oktoberrevolution feindlich war und die einige Dutzend Stimmen eroberte und

B)    eine zweite sozialistische Kampflinie, welche acht Zehntel der Vertreter der Gewerkschaftsorganisationen umfasste.

Diese neuen Aufgaben wurden in einer Resolution in folgender Form zusammengefasst:

 

1)      Der politische Sieg der Arbeiter und der armen Bauer über die Imperialisten und deren kleinbürgerlichen Agenten in Russland bringt uns gleichzeitig zum Anfang der internationalen sozialistischen Revolution und zum Sieg über die kapitalistische Produktionsmethode. Machtorgane wurden die Arbeiter- und Soldatenräte und die Bauerndeputierten. Die Politik der Arbeiter- und Bauernregierung wurde die Politik einer sozialistischen  Neuorganisation der Gesellschaft.

2)      Die Oktoberrevolution, die die politische Macht aus den Händen der Bourgeoisie in die Hände der Arbeiterklasse und der armen Bauern gelegt hatte, schuf ganz neue Bedingungen für die Tätigkeit aller Arbeiterorganisationen überhaupt, darunter natürlich auch der gewerkschaftlichen Organisationen.

3)      Die revolutionären Sozialisten haben niemals die Gewerkschaftsorganisationen nur als Organe des wirtschaftlichen Kampfes des Proletariats betrachtet, die nur die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Arbeiterklasse innerhalb des Rahmens der kapitalistischen Gesellschaft herbeiführen wollten. Die revolutionären Sozialisten haben immer die Gewerkschaftsorganisationen als Organe betrachtet, welche berufen sind, Hand in Hand mit den anderen Kampforganisationen der Arbeiterklasse für die Diktatur des Proletariats und für die Verwirklichung des Sozialismus zu kämpfen. Um so größer ist die Rolle im Kampfe für die Durchführung des  Sozialismus, welche den gewerkschaftlichen Organisationen jetzt zufällt, in einer Zeit, wo der Klassenkampf das russische Proletariat am Anfang der sozialistischen Revolution direkt zur praktischen Verwirklichung einer ganzen Reihe wichtiger politischer Maßregeln gebracht hat.

4)      Die Idee der „Neutralität“ der gewerkschaftlichen Organisationen war und bleibt eine bürgerliche Idee. Es gab und gibt keine Neutralität im großen geschichtlichen Kampf zwischen dem revolutionären Sozialismus und seinen Gegnern. Hinter scheinbarer Neutralität verbirgt sich fast immer eine tatsächliche Unterstützung der bürgerlichen Politik und Verrat der Interessen der Arbeiterklasse. Alle wirklichen Sozialisten sollten ein für allemal mit der Idee der „Neutralität“ der gewerkschaftlichen Organisationen brechen.

5)      Umso weniger kann die gewerkschaftliche Bewegung in Russland, in einem Lande, das die große Revolution durchlebt und das Joch der Bourgeoisie abgeworfen hat, „neutral“ sein. Alle Fragen, die im Verlaufe der Revolution vor dem Proletariat in der konstituierenden Versammlung (Russische Nationalversammlung) erstanden: die Frage der Nationalisierung der Banken, die Frage des Kampfes gegen die bürgerliche Presse, die Frage der Annullierung der Anleihen und die Frage des Kampfes gegen die Konterrevolution ziehen unmittelbar das Interesse der gewerkschaftlichen Organisationen auf sich. In allen diesen Fragen müssen die gewerkschaftlichen Organisationen insgesamt die Politik der sozialistischen Rätemacht, welche durch den Sowjet der Volkskommissare ausgeübt wird, unterstützen.

6)      Der Schwerpunkt der Tätigkeit der gewerkschaftlichen Organisationen im gegenwärtigen Augenblick muss auf das Gebiet der Organisation aus der Wirtschaft überführt werden. Die gewerkschaftlichen Organisationen als Klassenorganisationen des Proletariats, welche nach dem Industrieprinzip aufgebaut sind, müssen die Hauptarbeit bei der Organisation der Produktion und der Wiederherstellung der geschwächten erzeugenden Kräfte des Landes auf sich nehmen. Die energische Beteiligung in allen Organen, welche die Produktion regulierte, die Organisation der Arbeiterkontrolle, die Registrierung und Verteilung der Arbeitskräfte, die Organisation des Austausches zwischen Land und Stadt, die energische Beteiligung bei der Demobilisation der Kriegsindustrie, Kampf gegen Sabotage, die Einführung der allgemeinen Arbeitspflicht usw. solches sind die Aufgaben des Tages. Eine besondere Aufmerksamkeit muss der Zentralisation der gewerkschaftlichen Bewegung in all-russischem Maßstab und der Organisation mächtiger Verbände der Landarbeiter gewidmet werden.

7)      Im entwickelten Stadium müssen die gewerkschaftlichen Organisationen im Prozess der entstehenden sozialistischen Revolution Organe der sozialistischen Macht werden, welche als solche arbeiten und im Vereine mit den anderen Organisationen die Verwirklichung neuer Prinzipien der wirtschaftlichen Organisation ins Leben rufen.

8)      Übergangsmaßnahmen für die Umwandlung der gewerkschaftlichen Organisationen in solche Organe, und für die Vereinigung sämtlicher wirtschaftlicher Organisationen der Arbeiterklasse, besonders der Fabrikkomitees (Arbeiterausschüsse) sind : engere Zusammenarbeit und unzerreißbare organisatorische Verbindungen zwischen den gewerkschaftlichen Organisationen und den politischen Organisationen des Proletariats, in erster Linie mit den Arbeitern- und Soldatenräten.

9)      Der Kongress ist überzeugt, dass als Resultat des erwähnten Prozesses die Gewerkschaftsorganisationen sich in die Organe des sozialistischen Staates umwandeln müssen, und dass die Beteiligung an diesen für alle in der betreffenden Produktion beschäftigten Personen eine gesellschaftliche Pflicht wird. Die russische Gewerkschaftsbewegung kann ihre großen Aufgaben nicht erfüllen, ohne in die engste Verbindung mit der internationalen Gewerkschaftsbewegung getreten zu sein. Der Kongress betrachtet es als seine Aufgabe für die Wiedergeburt der internationalen gewerkschaftlichen Bewegung kräftig beizutragen und einen internationalen allgemeinen gewerkschaftlichen Kongress einzuberufen, sowohl wie eine ganze Reihe internationaler Kongresse der einzelnen Produktionszweige (Industrien).

 

Diese Grundprinzipien lagen der Tätigkeit der gewerkschaftlichen Organisationen zu Grunde.

Die gewerkschaftlichen Organisationen übertrugen nach dem ersten Kongress den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit nicht nur auf das Gebiet der wirtschaftlichen Organisation, sondern nahmen den lebhaftesten Anteil auf allen Gebieten der Sowjettätigkeit, verteilten die Arbeiter auf die staatlichen Organe und formierten die letzteren.

Auf dem Gebiet der Verteidigung unserer sozialistischen Republik, nahmen die Organisationen aktiven Anteil.

Dank der Energie der industriellen Arbeiter wurde die Arbeit in der Armee geordnet.

Die Produktion der Uniformen, der Bewaffnung und sonstiger Ausrüstung ging unter aktiver Teilnahme nicht nur des fortgeschrittenen organisierten Proletariats, sondern auch mit Hilfe der breiten Masse vor sich.

Außerdem gaben die Gewerkschaftsorganisationen einige Freiwillige und einen Teil der verantwortlichen Arbeiter, für die Erledigung aller möglichen Arbeiten in der Armee.

Der zweite Kongress der gewerkschaftlichen Organisationen, der vom 10. bis 25. Januar 1919 stattfand, zählte 4 422 000 organisierte Mitglieder.

Der Zuwachs während eines Jahres betrug 800 000 Mitglieder.

In diesem Jahre wurde von den Organisationen eine große Organisationsarbeit geleistet.

Alle Überbleibsel der alten Organisationen, die noch hie und da nach dem Prinzip der Fachverbände existierten, wurden reorganisiert und nach dem Industrieprinzip vereinigt.

Auf dem Gebiet der Aufgaben konnte der zweite Kongress die Tätigkeit der gewerkschaftlichen Bewegung schon bedeutend konkreter erfassen, in dem er die vom ersten Kongress erwähnte Grundlinie entwickelte.

Die grundlegende Resolution über die Aufgaben der gewerkschaftlichen Organisationen, die vom zweiten Kongress angenommen wurde, lautete:

 

« Das Jahr politischer und ökonomischer Diktatur des Proletariats hat den Wuchs der proletarischen Weltrevolution, die Richtigkeit der Stellung des ersten all-russischen Kongresses der gewerkschaftlichen Organisationen, welcher das Schicksal des ökonomisch organisierten Proletariats unwiderruflich mit dem Schicksal der Arbeiter- und Bauernherrschaft verknüpfte, völlig bewiesen.

Der Versuch, unter der Fahne der „Einheit“ und „Unabhängigkeit“ der gewerkschaftlichen Bewegung das ökonomisch organisierte Proletariat den Organen seiner politischen Klassendiktatur entgegenzustellen, führte die Gruppen, welche diese Losung unterstützen, zum offenen Kampfe gegen die Rätemacht und stellte sie außerhalb der Reihen der Arbeiterklasse.

Während des Prozesses der gemeinsamen praktischen Arbeit mit der Sowjetmacht für die Stärkung und Organisation der Volkswirtschaft gingen die Gewerkschaftsorganisationen von der Kontrolle über die Produktion zur Organisation derselben über, indem sie sowohl an der Leitung der einzelnen Betriebe wie an dem ganzen Wirtschaftsleben des Landes aktiv teilnahmen.

Aber die Aufgabe der Sozialisierung aller Produktionsmittel und der Organisation der Gesellschaft nach neuen sozialistischen Grundsätzen fordert dauernd, energische Arbeit mit dem Umbau des ganzen gesellschaftlichen Apparates, die Schaffung neuer Organe für die Statistik, Kontrolle und Regulierung der ganzen Produktion und Konsumtion, welche Organe auf der organisierten Selbsttätigkeit der selbst interessierten breiten Massen der Arbeiterschaft beruht.

Dieses schreibt den gewerkschaftlichen Organisationen eine energischere Teilnahme an der Tätigkeit der Sowjetmacht vor.

Zum Beispiel : mittels der unmittelbaren Arbeit in allen staatlichen Organen der proletarischen Massenkontrolle über die Tätigkeit der staatlichen Organe, die Ausführung einzelner Aufgaben der Sowjetmacht durch die Organisationen.

Ferner Mitarbeit bei der Umorganisation verschiedener staatlicher Einrichtungen und deren allmählichen Ersatz durch ihre Organisationen, auf dem Wege der Vereinigung der Verbandsorgane mit den Organen der Staatsgewalt.

Es würde indessen ein Fehler sein, auf dem gegebenen Stadium der Entwicklung der Gewerkschaftsorganisationen und der Gewerkschaftsbewegung bei unzureichend ausgeformten Organisationen sowohl die unmittelbare Unwandlung der Verbände in Organe der staatlichen Gewalt und ihre Vereinigung mit solchen, als auch die eigenmächtige Aneinigung der Funktionen der staatlichen Organe seitens der Gewerkschaftsorganisationen durchzuführen.

Der ganze Prozess der vollständigen Vereinigung der gewerkschaftlichen Organisationen mit den Organen der staatlichen Gewalt (der so genannte Prozess der Verstaatlichung) muss sich als ein unvermeidliches Resultat der gemeinsamen und übereinstimmenden Tätigkeit und der Vorbereitung der breiten Massen durch die gewerkschaftliche Organisation auf die Leitung der stattlichen Verwaltung und aller wirtschaftlichen regulierenden Organe ergeben.

Dies stellt seinerseits den gewerkschaftlichen Organisationen die Aufgabe der Zusammenfügung auch der unorganisierten proletarischen und halbproletarischen breiten Massen in starken Industrieorganisationen.

Ferner deren Hineinziehen unter die Kontrolle der proletarischen Organisationen in die sozialistische Verwaltung und die allgemeine Arbeit mit der Kräftigung ihrer Organisationen im Sinne der Zentralisation und Entwicklung ihrer Organisationsverwaltung sowie der Kräftigung der gewerkschaftlichen Disziplin.

Indem die Gewerkschaftsorganisationen an allen Gebieten der Sowjetverwaltung teilnehmen und aus sich selbst staatliche Organe formieren, müssen sie mittels ihrer Tätigkeit, durch Hineinziehen in dieselbe sowohl ihrer Organisation wie der breiten Massen der Arbeiter, dieselben zur Verwaltung nicht nur der Industrie, sondern des ganzen Staatsorganismus erziehen und vorbereiten. »

                 

RESUMÉ 

 

Von der Oktoberrevolution bis auf den heutigen Tag sind bereits zwei und ein halbes Jahr vergangen.

Diese dreißig Monate sind für das russische Proletariat und für die gewerkschaftlichen Organisationen eine Zeit des verzweifelten Kampfes gewesen.

Wir hatten gegen uns nicht nur den heiligen Bund der russischen Gegenrevolutionäre, sondern eine mächtige Koalition des internationalen Weltkapitals.

Die Imperialisten aller Länder begnügten sich nicht mit bloßer materieller Unterstützung der Gegenrevolution, sondern England, Frankreich, Amerika, Japan und andere Länder sandten gegen uns bewaffnete Truppen.

Die kleinen Nationalitäten wurden besonders gegen uns aufgehetzt.

Geschwächt durch einen vierjährigen imperialistischen Krieg mussten wir aufs Neue zu den Waffen greifen.

Wir haben eine ungeheuer schwierige Zeit durchlebt.

Unsere Feinde haben uns von den Gebieten der Lebensmittelerzeugung, Brennmaterial und Rohstoffe abgeschnitten.

Der Hunger und die Seuchen raffen auch jetzt viele Menschen dahin.

Aber trotz aller Schwierigkeiten spannten wir unsere Kräfte, schlugen alle unsere Feinde und erst jetzt, im dritten Jahre der proletarischen Revolution sind wir imstande, uns mit der Arbeit unseres häuslichen wirtschaftlichen Lebens zu beschäftigen.

Aber sogar in diesen Kampfjahren, wo wir genötigt waren, unser Bestes und alles auf den Krieg gegen die Konterrevolutionäre zu verwenden, gelang es uns dennoch, eine ungeheure Organisationstätigkeit auf dem wirtschaftlichen Gebiet zu leisten.

Nun können wir stolz sagen, dass wir die ganze Wirtschaft übernommen und Verwaltungsorgane für dieselben geschaffen haben.

Der Privatbesitz der Produktionsmittel ist abgeschafft, die Grundstücke der Gutsbesitzer und des Zaren sind nationalisiert.

Fabriken, Gruben, Schächte, und Werkstätten, die ganze Handelsflotte sind von den Kapitalisten expropriiert.

Aus der kapitalistischen Anarchie und den konkurrierenden Wirtschaften schufen wir eine einzige Volkswirtschaft.

In zwei Jahren sind 4 000 Betriebe und 16 000 Schiffe (Fluss- und Seeschiffe) von der Regierung nationalisiert worden.

Ferner 60 000 000 Desjatinen (LSvG.: 1 Desjatine = 1,1 Hektar) Boden der Gutsbesitzer und privaten Besitzer.

Die Unternehmungen sind in 90 so genannten „Trusts“ vereinigt.

4 000 Fabrikleitungen sind organisiert sowie viele verschiedene Organe für die Vorbereitung und Förderung von Rohstoffen.

Bei all dieser Tätigkeit spielen die Gewerkschaftsorganisationen eine hervorragende Rolle.

Sie nehmen an der Leitung der ganzen Volkswirtschaft von unten bis oben teil.

Das allerhöchste Organ, das Präsidium des obersten Rates der Volkswirtschaft, wird in Übereinstimmung mit dem all-russischen Zentralrat der Gewerkschaftsorganisationen ernannt und bestätigt.

Die Organisation dieses oder jenes Zweiges der Industrie wird mit der aktiven Teilnahme seitens des Verbandes der betreffenden Industrie ausgeführt.

Der Oberste Rat der Volkswirtschaft ist in Produktionsabteilungen eingeteilt, welche mit seltenen Ausnahmen ganz mit den Industrieorganisationen der Arbeiterklasse zusammenfallen.

An der Spitze einer Abteilung steht die kollegiale Verwaltung, deren Vorsitzender als verantwortlicher Geschäftführer fungiert.

Die Verwatlungen (Vorstände) bilden sich nach Übereinstimmung zwischen dem Vorstand des Obersten Rates der Volkswirtschaft und dem Vorstande des Zentralkomitees der betreffenden Industrieorganisationen zum größten Teil aus Mitgliedern und Kandidaten der Gewerkschaftsorganisationen.

Unsere Gewerkschaftsbewegung betrachten wir nur als die eine Seite, als einen Teil in der sozialistischen Bewegung im internationalen Maßstabe, die nur vereint mit der politischen Bewegung ein einziges Ganzes bildet.

Die Verwaltungen der Fabriken oder Fabrikgruppen („Trusts“) bilden sich auch nach dem oben genannten Grundsatz.

Die Abteilungen des all-russischen obersten Volkswirtschaftsrates treffen in jedem konkreten Fall mit den Gewerkschaftsorganisationen eine Vereinbarung.

Bei der Organisation der Verwaltung eines Trusts werden Konferenzen der Vertreter der Fabrikverwatlungen und Fabrikkomitees zusammengerufen.

Diese Konferenzen entstehen und werden organisiert unter aktiver Teilnahme seitens der gewerkschaftlichen Organisationen.

Angesichts der Tatsache, dass die Verbände allein eine lebendige Kraft und eine bewusste Leitung geben können, verlaufen die Konferenzen außerordentlich sachlich und einmütig.

Die Kandidaturen für die zentralen oder lokalen Vorstände werden sowohl in der Leitung als in dem Plenum der Konferenzen eingehend besprochen.

Die innere Einrichtungen der Werkstätten, die Durchführung der Arbeiterschutzgesetzgebung, die Aufrechterhaltung der Arbeiterdisziplin, in einem Worte: alles, was die soziale nicht wirtschaftliche Tätigkeit der Betriebe betrifft, ist in den Händen des Arbeiterkomitees konzentriert, das von sämtlichen Arbeitern eines gegebenen Betriebes gewählt wird, die Anzahl der Mitglieder richtet sich nach der Größe des betroffenen Betriebs.

Das gewählte Fabrikkomitee ist ein verantwortliches Organ der Gewerkschaftsorganisation am betreffenden Orte und nimmt durch seine Vertreter an den periodisch einzuberufenden Beratungen an der Verwaltung aller Angelegenheiten des Verbandes teil.

Das Arbeiterkomitee einer Fabrik oder Werkstatt wird in dieser Weise die Grundbasis der Industrieorganisation.

Die Teilnahme der industriellen Arbeiterorganisationen an dem sozialistischen Aufbau begrenzt sich nicht auf das wirtschaftliche Gebiet, sondern erstreckt sich, wie bereits oben erwähnt ist, auf das militärische und andere Gebiete.

Die gewerkschaftlichen Verbände nehmen durch ihre Vertreter an der Organisation der kulturellen und aufklärenden Tätigkeit der Räterepublik teil.

Die gewerbliche und technische Ausbildung liegt vollständig in ihren Händen.

Das Volkskommissariat der Arbeit, das Staatsorgan für die Regulierung der Arbeiterfragen, ist von unten bis oben unmittelbar mit der Gewerkschaftsorganisation verbunden.

 

ARBEITSLOSIGKEIT

 

In den letzten 2 ½ Jahren während der Räteherrschaft haben jene Organisationen, welche in Europa den Namen „Arbeitsbörsen“ tragen, bei uns aber „Unterabteilungen für die Eintragung und Verteilung der Arbeitskraft“ genannt werden, eine besondere Entwicklung gehabt.

Solche Unterabteilungen, die sich mit der Eintragung und Verteilung der Arbeitskraft beschäftigen, gab es im Oktober 1919 in 39 Gouvernements 320 mit 250 Zweigstellen.

Diese Zahl wird besonders bedeutungsvoll, wenn man bedenkt, dass die Koalitionsregierung insgesamt nur 27 hatte, welche das erbärmliche Dasein einer Arbeitsbörse fristeten.

Die Arbeitersektionen regulieren (durch die Unterabteilungen für die Verteilung der Arbeitskraft) die Auszahlung der Unterstützungen an die Arbeitslosen.

Zu ihrer Verfügung steht ein spezieller Fonds der Arbeitslosenversicherung.

In den 8 Monaten des Jahres 1919 wurden durch 271 Unterabteilungen des Volkskommissariats der Arbeit in Sowjetrussland 1 080 997 Arbeitslosen Beistand geleistet.

Die Nachfrage nach Arbeit überstieg gewöhnlich bedeutend das Angebot und von den Gemeldeten erhielten bis 90 Prozent Arbeit.

Aber diese Unterabteilungen vermittelten Zehntausende von Industriearbeitern für landwirtschaftliche Arbeiten.

 

 ARBEITSGESETZGEBUNG

 

Die Arbeitergesetzgebung im zaristischen Russland war äußerst arm.

Während des Krieges wurde sie ganz vernichtet.

Die Koalitionsregierung nach der Februarrevolution tat ebenfalls nichts, um die russische Arbeitergesetzgebung zu erweitern.

Die Gesetzgebung über den achtstündigen Arbeitstag, der Krankenversicherung, Alters- und Invalidenversicherung, der Gewerbeinspektion usw. wurde in den Kanzleien des bürgerlichen Arbeitsministeriums „beraten“.

Und erst seit der Zeit, wo die Arbeiter und die Frauen die Macht übernahmen, beginnt die Entwicklung der Arbeitergesetzgebung.

Durch amtliche Verfügungen wurden alle Eroberungen der Arbeiterrevolution bekräftigt, wie der achtstündige Arbeitstag, die Vollmacht der Arbeiter auf dem Gebiet der Sozial-Versicherung und andere.

Eine besondere Verfügung von der „Arbeiterkontrolle“ gab dem städtischen und ländlichen Proletariat die Möglichkeit eines organisierten und rationellen Eindringens in die Geheimnisse der Verwaltung, allerlei Arten der Wirtschaften und Unternehmungen.

Diese Verfügung war die Vorbereitung, die Einleitung zur Beherrschung aller Verwaltungsapparate der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion durch die Arbeiterklasse.

Auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes, der sozialen Sicherstellung und dergleichen Maßregeln haben wir der Gesetzgebung einen weiten Schritt vorwärts gebracht.

Kein „demokratischer“ Staat sorgte in so hohem Grade für die Interessen, das Leben und die Gesundheit der Arbeiterschaft wie Sowjetrussland.

Ärztlicher, medizinischer, geburtshilflicher Beistand wird den Arbeitern ganz unentgeltlich geleistet.

Zeitliche Arbeitsunfähigkeit, völlige Unfähigkeit zur Arbeit infolge eines körperlichen Gebrechens oder hohen Alters gibt das Recht auf eine Pension bis zur Höhe des vollen Verdienstverlustes.

Einen besonderen Schutz gewährt die Gesetzgebung den Müttern.

Eine Arbeiterinnenverfügung gibt ihr das Recht, 8 Wochen vor dem Wochenbett und 8 Wochen nach demselben von aller Arbeit befreit zu sein.

Während dieser Zeit erhält sie ihren vollen Verdienst und außerdem werden der Mutter und dem Kinde gewisse Bedarfsartikel und Lebensmittel zugeteilt.

Der stillenden Mutter wird die Arbeitszeit abgekürzt.

Die Arbeitsinspektion beobachtet die Ausführung aller Dekrete betreffs Arbeiterschutzes, Gesundheitspflege usw. und wird von den Räten der Gewerkschaftsorganisationen erwählt.

 

 REGULIERUNG DER ARBEITSLÖHNE

Die Regulierung der Arbeitslöhne erfolgt auf dem Wege der Gesetzgebung.

Alle Industrien, alle Berufe und Gewerbe sind in Gruppen eingeteilt je nach dem Grade der Schwere, Kompliziertheit und Qualifikation der Arbeit.

Das ganze Land ist in Zonen, je nach der Teuerung der betreffenden Orte eingeteilt.

Moskau wird gewöhnlich als 100 Prozent gesetzt und während der Maßstab für Sibirien bis auf 60 Prozent herabsinkt, erhöht er sich für Petersburg auf 120 im Verhältnis zu Moskau.

Die ständig wachsende Teuerung hat schon längst die russischen Arbeiter vor das Problem der Bezahlung der Arbeiter in Naturalien gestellt.

Allein der Warenmangel, der jetzt herrscht, lässt eine Lösung dieses Problem nur teilweise zu.

Die in bar ausgezahlten Löhnen dienen unter solchen Umständen nur als Ersatz für diese Naturerzeugnisse, die der Staat austeilt.

Der grausame Krieg, den wir bisher geführt haben, ließ uns weder Zeit noch Kräfte, um die Organisation der Produktion aufzurichten, um den Bedarf der Bauern- und der Arbeiterklasse zu befriedigen.

Bisher arbeitete alles für den Krieg.

Nun haben wir die freigewordenen Arbeitskräfte für die Herbeischaffung der Lebensmittel in Anspruch genommen, sowie auch für den Transport des Brennmaterials und der Rohstoffe jeder Art, welche für die Industrie unentbehrlich sind.

Die Getreidevorräte ermöglichten uns, die breiten Massen der Arbeiter und Bauern zur Verwirklichung der Produktionsaufgaben zu gewinnen.

Die Vermehrung der Erzeugnisse erleichtert die Durchführung des Systems der Naturallöhnung für die Arbeit.

Alle Gewerkschaftsorganisationen in unserem Lande machen die weitere Verbesserung der materiellen Lage der Arbeiter von der Entwicklung der Produktionskräfte unserer Republik abhängig.

Und in dieser Hinsicht muntert uns jeder industrielle Fortschritt auf.

Zu diesem Zwecke haben wir in unseren Fabriken das System der so genannten Stückzahlung eingeführt, sowie die Trainierung von individueller oder kollektiver Erhöhung der Produktion.

Die Abschätzung der Stückarbeit wird von besonderen, durch die Arbeiter einer Fabrik erwählten Abschätzungskommissionen bestimmt.

Die Prämierungssysteme werden ebenfalls von den Arbeitern und den Fabrikvorständen zusammen mit Fabrikkomitees ausgearbeitet und von den Zentralkomitees der Gewerkschaftsorganisationen bestätigt.

 

INTERNATIONALE AUFGABEN

 

Mitten in seiner alltäglichen Arbeit, in den Tagen des großen revolutionären Kampfes, die das ganze Russland der Arbeiter und Bauern gegen die internationale Konterrevolution führen, beobachtet das russische Proletariat wachsam und aufmerksam den Kampf der Arbeiter aller Länder.

Bisher waren wir nicht imstande, mit den proletarischen Organisationen Europas und Amerikas in Verbindung zu treten, was auf jener Blockade und Okkupation der Grenzgebiete beruht, die bis in den letzten Tagen des Februars dieses Jahres gedauert haben.

Abgesondert von jeder Verbindung mit dem Ausland versuchten wir immerhin manchmal mittels der drahtlosen Telegraphie mit den Arbeiterorganisationen in Verbindung zu treten und wir waren außerordentlich glücklich, wenn wir erfuhren, dass unsere Stimme gehört wurde.

Die Gewerkschaftsorganisationen konnten ihren Beschluss, einen internationalen Kongress der Gewerkschaftsorganisationen in unserer Republik einzuberufen, nicht durchführen.

Die einzelnen Verbände und auch der all-russische Zentralrat der Gewerkschaftsorganisationen haben mehrmals vorgeschlagen, ihre Vertreter nach dem Ausland zu senden, um Auskünfte zu erhalten und Verbindungen anzuknüpfen.

Allein infolge der militärischen Lage blieben diese Wünsche unerfüllt.

Unsere Gewerkschaftsorganisationen haben dem internationalen Kampf der Arbeiterklasse und den zu diesem Zweck geschaffenen Organisationen eine sehr große Bedeutung beigelegt.

Alle unsere Handlungen, all unsere Tätigkeit und Politik sind von der internationalen Idee durchdrungen.

Die Interessen des Weltproletariats, die Entwicklung seines Willens und seiner Kräfte, seines Kampfes waren immer unser Leitstern gewesen.

Zur Frage einer internationalen Vereinigung des Proletariats haben wir uns immer bereitwillig bekannt.

Die Vergangenheit befriedigt uns nicht. Sie bietet uns aber reiche Erfahrungen und Lehren.

Vor nicht langer Zeit, nur 6 Jahre, zählte das internationale gewerkschaftliche Zentrum etwa 10 Millionen organisierter Arbeiter.

In vielen Ländern existierten mächtige gewerkschaftliche Verbände, welche zuweilen den Kampf bedeutender Arbeitermassen leiteten.

Aber dann brach der schreckliche Krieg aus, den wir bereits viele Jahre zuvor vorausgesehen hatten und gegen welchen alle Arbeiterkongresse Resolutionen angenommen haben.

Und dennoch stand die Mehrheit der Arbeiterorganisationen auf der Seite ihrer Bourgeoisie und verrieten den elementarsten Begriff der gemeinsamen Interessen des Weltproletariats.

Während des ganzen imperialistischen Krieges haben die Gewerkschaftsorganisationen mit den Kapitalisten zusammengearbeitet.

Die Führer und Bürokraten haben den Generalstäben eifrigen Beistand geleistet – in der Organisation der gegenseitigen Ausrottung der Arbeiter und der Verdummung ihrer Köpfe mit betrügerischen Losungen.

Jetzt, nach dem imperialistischen Krieg, der die ganze demokratische Lüge von Krieg und die ganze Nichtswürdigkeit im Benehmen der offiziellen Vertreter der Arbeiterorganisationen entschleiert hat, erhebt sich vor uns die Frage:

Welchen Weg wird die internationale Gewerkschaftsbewegung beschreiten?

Wird sie den Weg des Klassenkampfes nehmen oder wird sie fortfahren, unter verschiedenen Maskierungen die Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie, die Solidarität der Klassen, das gemeinsame Interesse der Ausbeuter und Ausgebeuteten zu predigen?

Wird sich die Gewerkschaftsbewegung bemühen, die tatsächliche revolutionäre Lage sowie die Gesinnung der Arbeiter jener Länder, welche die harte Schule des Krieges, der Not und Armut durchgemacht haben, zu benutzen, um ihren Kampf gegen den Kapitalismus zu kräftigen und verbreiten?

Die Wirklichkeit gibt uns schon deutliche Antwort.

Nach vielen Jahren schändlichen Benehmens sind die alten Führer und Bürokraten der Gewerkschaftsorganisationen noch immer die Gefangenen der Bourgeoisie.

Statt einer selbständigen, nur unserer Klasse dienenden Tätigkeit sehen wir fortwährenden Betrug, fortwährende Arbeitsgemeinschaft mit den kapitalistischen Regierungen.

Statt der internationalen Organisation des Kampfes wird die Organisation des Weltbetruges aufgerichtet unter der Flagge aller möglichen Washingtoner und sonstiger Kommissionen, durch eine Abstellung der Arbeit um Völkerbund usw., wo die Vertreter des internationalen Opportunismus gnädigste als ein Drittel zugelassen werden.

Eine solche Politik verpflichtet.

Und so sehen wir, wie die alten Häupter der Gewerkschaftsorganisationen in jeder Weise sich bemühten, den Kampf zu vermeiden, wie sie versuchten, alles zu tun, um jeden scharfen Konflikt freundschaftlich und friedlich auszugleichen, ohne großen Streit mit den Kapitalisten und ihren Regierungen.

Dies geschieht in dem Augenblick, wo der Abgrund zwischen Arbeit und Kapital eine bisher ungesehene Tiefe erreicht hat.

Die alten opportunistischen Führer sind tatsächlich geistige Sklaven ihrer Regierungen, ihrer Bourgeoisie geworden.

Die Arbeiterklasse und die Gewerkschaftsorganisationen müssen einer solchen Politik ein Ende machen, sie müssen sich von der bürgerlichen Vormundschaft und den demoralisierten bürokratischen Führern befreien.

Eine Bewegung in dieser Richtung ist in allen Ländern vorhanden.

Die Unzufriedenheit mit den Opportunisten und der verräterischen Politik der Führer der Gewerkschaftsorganisationen schaffte innerhalb der einheitlichen gewerkschaftlichen Bewegung zwei Lager.

Die Trennung hat begonnen.

Und dieser gesunde Prozess muss unbedingt mit dem Siege der Klassenkampfpolitik und der selbständigen Organisation der Arbeiterklasse enden.

Die Gewerkschaftsorganisationen der Räterepublik unterstützen mit all ihren Kräften und Mitteln den Befreiungskampf der europäischen und amerikanischen Verbände von dem geistigen Joch des Kapitals.

Unsere Klassenorganisationen des Proletariats haben die politische Macht des Bürgentums und das wirtschaftliche Joch des Kapitals vernichtet,  haben aber nicht nach der Methode eines Samuel Gompers, eines Albert Thomas, eines Carl Legiens und sonstiger Stützen der bürgerlichen Klasse gehandelt.

Millionen organisierte Arbeiter unseres Landes treten ein in die internationale Familie des kämpfenden Proletariats, um durch ihre Mitarbeit den Erfolg dieses Kampfes zu sichern und die angesammelten Erfahrungen dieses Kampfes zwecks endgültiger Befreiung der Arbeiterklasse von den Ketten des Kapitals zu benützen.

Unsere Gewerkschaftsorganisationen sind nie „neutral“ im politischen Befreiungskampf der arbeitenden Klasse gewesen.

Die gewerkschaftliche Bewegung in unserer Republik ist stets nur ein Teil der mächtigen proletarischen Strömung zum Sozialismus gewesen.

Unsere Gewerkschaftsbewegung betrachten wir nur als die eine Seite, einen Teil in der sozialistischen Bewegung im internationalen Maßstabe, die nur vereint mit der politischen Bewegung ein einziges Ganzes bildet.

Unsere Organisationen bestehen darauf, dass diese Einheit der Ziele der politischen und wirtschaftlichen Bewegungen des Proletariats in der Schaffung eines internationalen Zentrums als eine Leitung des gesamten proletarischen Klassenkampfes zum Ausdruck kommt.

Wir sind in dieser Sache keine Neuerer.

Die erste proletarische Internationale, die von Karl Marx gegründet worden ist, war zu seiner Zeit ein solches einheitliches Zentrum des vielgestaltigen Kampfes der Arbeiterklasse.

Und wir wollen auf dem Gebiete der Organisation diesem weisen Beispiel folgen.

In dieser Weise werden wir die gewünschte Einheit der Taktik wie das Maximum des Erfolges erreichen.

In der neuen Zeit, die sich uns erschließt, müssen die internationalen Organisationen der Arbeiterklasse nicht die Rolle eines staatlichen Büros oder eine Expedition für die Verbreitung von Zeitungen in drei Sprachen spielen, sondern sie müssen die ganze Bewegung, den ganzen Kampf der arbeitenden Klasse leiten und führen.

Nur unter dieser Bedingung werden sie wahrhaft international werden, nur mit diesen Methoden sind der Sieg der Arbeiterklasse und deren endgültige Befreiung vom Kapitalismus möglich.

 

VERLAG DER SCHULE FÜR AGITATOREN UND INSTRUKTOREN

“KOMMUNISTISCHE REVOLUTIONÄRE UNIVERSITÄT J. M. SVERDLOV”

ZUR MARXISTISCH-REVOLUTIONÄREN AUSBILDUNG, ORGANISATION UND FÜHRUNG

DES PROLETARIATS UND DESSEN UNTERDRÜCKTE VERBÜNDENTEN

MOSKAW - SÃO PAULO - GENUA – PARIS

 

 

 

 



[1] Siehe SCHLIAPNIKOV, ALEXANDER GRAVILOVITCH. Aus der Gewerkschaftsbewegung in Russland bis zur Eroberung der Macht, Chemnitz : Chemnitzer Druck- u. Verlagsanstalt GmbH, Juni 1920, S. 5 ff.